San Diego, Mitte der 80er Jahre. Im Sonnenstaat Kalifornien, nahe der mexikanischen Grenze, lebt ein junger Typ namens Tony Finn. Er ist als Student an der staatlichen Uni eingeschrieben. Um sein Studium zu finanzieren, liefert er Pizzas aus. In seiner Freizeit feiert er gerne – und er liebt Wassersport. Am Strand des nahegelegenen Pazifiks reitet er Wellen, und auf einem See fährt er mit Freunden Wasserski.
Auf einer Reise sieht er Jungs, die sich mit ihrem Surfboard vom Wasserskiboot ziehen lassen. „Eine gute Idee“, denkt Tony. Doch als er es selbst ausprobiert, empfindet er das lange, breite Surfboard als zu träge, um damit spritzig die Heckwelle des Bootes abzureiten. Am Abend macht er sich Gedanken, wie er die guten Eigenschaften seines Wasserskis und seines Surfboards in einem neuen Sportgerät vereinen kann. Seine eigene Schöpfung hat einen Plastikkorpus und eine ähnliche Form wie ein Surfboard, ist aber wesentlich kürzer. Von seinem Wasserski übernimmt er die Bindung. Zwei Schlaufen geben den Füßen halt und machen die Kurvenfahrt um einiges aggressiver. Einen Namen für seine Erfindung hat er auch: Skurfer – ein Wortmix aus Ski und Surf.
Dass Tony gerade die Basis für eine Sportart gelegt hat, die wenige Jahre später weltweit Hunderttausende Anhänger haben wird, ist ihm nicht bewusst. Wohl aber, dass sie als Geschäftsidee taugt. Er geht mit seinem Skurfer in die Serienproduktion. Pizzas wird er nie wieder ausliefern. Heute gilt er als einer der beiden Erfinder des Wakeboardens und ist einer der beiden Köpfe von Liquid Force, der erfolgreichsten Wakeboardmarke der Welt. Doch zurück in die 80er Jahre...
Seinen heutigen LF-Geschäftspartner und Miterfinder des Wakeboardens, Jimmy Redmond, trifft Tony wenig später. Auch Jimmy ist in die Wakeboard-Produktion eingestiegen. Seine Firma heißt Redline, seine Boards sind handgemacht. Tony hält sie für wendiger als seinen Skurfer und Jimmy für den besseren Boarddesigner. Aber Tony ist der bessere Geschäftsmann und behält seine Meinung deshalb zunächst für sich. „Wir waren Konkurrenten, Feinde“, erinnert sich Tony.
Jimmy Redmond in seiner Shape-Werkstatt - hier entstanden schon zahlreiche Liquid Force Bestseller
Auf einem Wakeboard-Wettkampf treffen Tony und Jimmy wieder aufeinander. Dieses Mal ist die Stimmung entspannter. Tony hat gerade seine Firma „Skurfer“ verkauft, der Konkurrenzgedanke ist sekundär. An diesem Tag jobbt Jimmy als Schiedsrichter auf dem Contest, Tony ist der TV-Ansager. Aber beide haben eins gemeinsam: Sie finden die Veranstaltung langweilig. Um den Sport voranzubringen, schließen sich die beiden Visionäre zusammen. Sie gründen mit Hilfe eines Investors „Waketech“. Unter diesem Namen verhelfen sie dem Sport 1994 erneut zu einem Sprung: Mit dem Twin-Tip-Board „Flight 69“, dem ersten Brett in symmetrischer Bauweise. Das Besondere: Es kann mit dem linken und rechten Fuß vorne gleichermaßen gefahren und gelandet werden, das eröffnet neue Dimensionen.
Jimmy baut einen Prototypen und gibt ihn den Profis Scott Byerly und Gator zum Testen. Die Jungs sind überwältigt. Doch nach der Probefahrt müssen sie das Board wieder abgeben. Die Monate bis zum ersten Serienboard nutzen die Profis, um sich zu überlegen, was mit dieser Art von Board jetzt alles möglich ist: Links vorne abheben, rechts vorne landen, ... . Die Szene gibt den Tricks Namen wie Switch Mobe, Fat Chance oder Indy Tantrum To Blind. Pünktlich zur Weltmeisterschaft laufen die ersten Bretter vom Band – und Byerly und Gator holen mit den neuen Boards die Titel: Byerly im Freestyle, Gator in der Expression Session.
Die wohl wichtigste Sandale für den Wakeboard-Sport: mit diesen Flipflops hat Jimmy all seine Bretter geshaped
Wakeboarding erlebt in dieser Zeit neue Höhepunkte, doch Tony und Jimmy einen Rückschlag. Es gibt Ärger mit dem Investor, Waketech steht vor dem Aus. Eine neue Idee muss her: Es ist 1995, und Tony und Jimmy gründen Liquid Force.
Die Firma, die zunächst als Underdog gilt, schafft es, mehr und mehr zu begeistern. Heute ist Liquid Force Weltmarktführer. Der Grund dafür sind stetige Innovationen und eine enge Zusammenarbeit mit den Sportlern. In neue Richtungen denken und den Sport vorantreiben. Das ist es, was Tony, Jimmy und die Liquid-Force-Familie auf der ganzen Welt ausmacht.
Ein Teil der Shapes aus dem Hause Liquid Force
Beispiele für Innovationen von Liquid Force gibt es viele: Egal, ob das erste Board mit mehrere Finnen an jedem Ende („Trip“, 1997), das erste Holzboard, das erste Brett mit abriebfester Unterseite („Grindbase“, 2002), die erste geschlossene Wakeboardbindung („Boot“, 2005) oder aktuell das erste Wakeboard in Hybridbauweise mit Kern aus superstabilem Schaum-Holz-Mix: Es waren immer die Jungs von Liquid Force, die es auf den Markt brachten und den Sport dadurch veränderten. Und das Beste ist, sie haben Spaß daran.
Jimmy Redmond formuliert es so: „Mein Job ist es, eine Menge cooles Spielzeug zu erfinden.“ Wir sind gespannt, was noch alles so kommen wird.
Text: Sabine Schmitt Bilder: Liquid Force |